1. Die ältesten Spuren der St. Severinus-Schützenbruderschaft
Die ältesten Spuren der St. Severinus-Schützenbruderschaft reichen bis in das Jahr 1460 zurück. – Dazu schreibt Heinrich Feldmann in der „Chronik der St. Severinus-Schützenbruderschaft“: „Man kann Schützenbruderschaften mit Eichbäumen vergleichen, die unsere Vorfahren gepflanzt haben. Niemand weiß genau, wann sie gepflanzt worden sind. Jedoch sie stehen da, wohl alt und knorrig, aber jedes Jahr grünend und blühend im Frühlingsschmuck. So auch die St. Severinus-Schützenbruderschaft. Ihr Gründungsjahr ist unbekannt. Leider sind aus der Gründungszeit keine Urkunden und Unterlagen vorhanden. Sicher ist jedoch, dass sie im Jahre 1460 schon bestand. Aus einer Chronik geht nämlich hervor, dass unsere Schützenvereinigung um diese Zeit schon bestanden haben muss, da die Schützen Bröker und Stracke aus Wenden 1460 bei einem Preisschießen in Olpe Schützenpreise errungen haben.“
2. Die Anfänge des Schützenwesens im kurkölnischen Sauerland
Die Anfänge des Schützenwesens im kurkölnischen Sauerland liegen in tiefem Dunkel, da Unterlagen hierüber in Archiven – soweit überhaupt jemals vorhanden – im Laufe der Zeit durch Krieg, Brände oder aus Unachtsamkeit verloren gegangen sind. Trotz großer Bemühungen, geschichtliche Lücken zu schließen, waren es meist glückliche Zufälle, die es uns ermöglichten, Entwicklungslinien und Zusammenhänge zu erkennen und deutlich zu machen. Dr. Th. Reintges, Vorsitzender im Brauchtumsausschuss des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften, der die Frühgeschichte der Schützen im Kurkölnischen Raum untersucht hat, stellt fest, dass gegen Ende des 13. Jahrhunderts die ersten Nachrichten über die Schützen auftauchen, und zwar zunächst in dem stark verstädterten Gebiet Flamens und Brabants. Von hier aus erreichte die Schützenbewegung über die Rheingaue den westdeutschen und den zentraleuropäischen Raum. Es ist die Zeit des Rittertums, in der die ritterlichen Nahkämpfe sich als äußerst problematisch erweisen und man daher zu einem verstärkten Gebrauch der Schuss- bzw. Schleuderwaffen (Bogen und Armbrust) überging. Es ist gleichzeitig eine Zeit der Umwälzungen in den Städten. Die Städte machten sich von den Feudalherren unabhängig und bildeten zusehends ihr kulturelles Eigenleben. Die Zünfte drängten in die stadtpolitische Mitverantwortung, und die Macht des Patriziats wurde eingeengt. Die neuen demokratischen Kräfte in den Städten förderten die neuen Schusswaffen. (vgl. dazu: D. Sauermann: Geschichte des Schützenwesens im kurkölnischen Sauerland)
Nach Dr. Th. Reintges lässt sich feststellen, dass regelmäßige Pflichtübungen, zuerst mit der Armbrust oder dem Bogen, später auch mit der Büchse, „erst mit der Demokratisierung der Städte“ einsetzten, und dass das selbstbewusste Bürgertum ein Alternativspiel zu den ritterlichen Turnieren entwickelte, den Schießwettkampf. Der Bürger, bisher nur Staffage bei adeligen Festlichkeiten, veranstaltete nun eigene Feste, in denen er sich und seine Macht darstellte.
In diesem Emanzipationsstreben spielte die Schützenbewegung eine wichtige Rolle. Die Verteidigung der Städte lag in den Händen aller Bürger, dem Aufgebot aller waffentragender Männer einer Stadt. Dr. Reintges weist darauf hin, dass die prinzipielle Verteidigungspflicht an das Bürgerrecht gebunden war.
Die Schützen nehmen dabei eine vorrangige Stellung ein. Sie zeichneten sich durch aufwendigere Bewaffnung und regelmäßige Waffenübungen aus.
Weitere Mitglieder der Bürgerwehr waren in „Rottmannschaften“ zusammengefasst und – wenn überhaupt – mit Nahkampfwaffen (Lanzen, Spieße, Partisane oder Morgensterne usw.) ausgestattet. Jeder Bürger war auf Eid verpflichtet, die Stadt zu verteidigen und dem Glockenschlag (Anschlag der Kirchenglocke als Aufforderung zur Verteidigung, Versammlung, Heeresfolge, Verbrechensverfolgung usw.) nachzukommen. Ganz anderen Ursprungs als die städtischen Schützengesellschaften waren die ländlichen Schützengemeinschaften, zu denen auch die Wendener Schützen zu zählen sind. Sie gingen, so nimmt man an, aus Notgemeinschaften benachbarter Bauern hervor. Man nannte diese Gemeinschaften auch „Schützen-Gilden“.
Wenn wir die Ursachen für die Entstehung des Schützenwesens in unserer Wendener Heimat aufzeigen wollen, müssen wir, in Ermangelung vorhandener Quellen, auf allgemein historische Fakten zurückgreifen. Nur aus der Geschichte der damaligen Zeit heraus lässt sich die Entstehung der Schützengilden verstehen und begründen.
Mächte man Zugang zu der Zeit um die Mitte des 15. Jahrhunderts finden und diese lebendig werden lassen, kommt man nicht umhin, allgemein historische Prozesse dieser Zeit, die aber mit Sicherheit politische Entwicklungen und Strukturen in unserem Wendener Land beeinflussten, in die Entwicklungsgeschichte unserer Schützenbruderschaft mit einzubeziehen.
Diese breite Darstellung allgemein historischer Tatsachen ist also notwendig, weil man ohne sie Entstehungs- und Entwicklungszusammenhänge des Schützenwesens nicht deutlich machen kann.